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Seelentröster auf vier Pfoten

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Von Sonja Faulhaber
Steinhagen. Wenn Tasha ihre haarige Schnauze auf den Schoß legt und mit treuen Augen aufblickt, sind für einen kurzen Augenblick alle Sorgen vergessen. Ein wenig kuscheln, ein wenig streicheln - und schon fällt es den Schülern viel leichter, mit Kathrin Richter, der neuen Sozialarbeiterin am Steinhagener Gymnasium, über ihre Sorgen und Nöte zu sprechen.
Es ist ein neuer Ansatz der Sozialarbeit, den Kathrin Richter und ihre extra dafür ausgebildete Mischlingshündin mit viel Schwung ins Gymnasium bringen. Seit Dezember arbeitet die 36-Jährige an der Schule. Zunächst ohne Hündin, ganz klassisch. "Doch ich hatte schon mit tiergestützter Arbeit Erfahrungen bei Erwachsenen gesammelt", erzählt sie. Und da dort das Zusammentreffen von Mensch und Tier fantastische Resultate erzielt hatte, schlug sie Schulleiter Josef Scheele-von Alven vor, doch einmal ihre Hündin Tasha mitbringen zu dürfen. "Viel Überzeugungsarbeit musste ich nicht leisten. Er war gleich begeistert", erinnert sich Kathrin Richter. Und auch das Kollegium stand der neuen haarigen »Kollegin« aufgeschlossen gegenüber. Gesagt - getan. Tasha darf seitdem ein bis zwei Mal in der Woche mit in die Schule. Und wird schon sehnsüchtig erwartet. "An den Tagen, an denen Tasha da ist, klopft es ständig bei uns an der Tür", sagt Kathrin Richter mit einem Lachen. Und ihre Kollegin Alina Wehmhöner fügt mit einem ironischen Zwinkern hinzu: "Wenn einer von uns beiden nicht da ist - kein Problem. Aber wenn Tasha nicht da ist, sind die Schüler sehr enttäuscht." Und auch die sechsjährige Mischlingshündin genießt ihre Zeit auf beziehungsweise unter der Schulbank. Von Stress keine Spur. In aller Seelenruhe lässt Tasha sich bei Beratungsgesprächen streicheln, begrüßt in der Klasse jeden kurz mit einem Nasenstups und freut sich, wenn die ein oder andere Stulle aus dem Ranzen fällt. Für Kathrin Richters Arbeit ist Tasha ein wahrer Segen, denn die Hündin schafft das, was sonst oft schwerfällt: in kürzester Zeit einen Kontakt zu Kindern aufbauen und ihnen ein sicheres Gefühl vermitteln. Die Arbeit mit Tasha und den Schülern findet in unterschiedlichen Situationen statt. Da ist zum einen das Einzelgespräch, bei dem Schüler sich ihren Frust von der Seele reden können und sollen. Doch nicht immer fällt es leicht, sich einem Menschen gegenüber zu öffnen. "Tasha dagegen ist einfach lieb, warm und kuschelig", so Kathrin Richter. Da fällt der Kontakt leicht. Und noch ein weiterer Punkt spricht für Tasha als Ansprechpartnerin: "Sie wertet nicht, nimmt jedes Kind so an, wie es ist, ohne dass Aussehen oder Kleidung eine Rolle spielt." Und der Gesprächsbedarf bei den Schülern ist groß. "Die Kinder stehen unter Leistungsdruck", erläutert Kathrin Richter. Egal ob schulisch durch G 8 oder privat durch viele Hobbys, "viele Kinder sind heutzutage überfordert". Da hilft es oft, sich bei jemandem »auszuheulen«, der einfach gut zuhören kann - wie Tasha. Aber Hund und Frauchen betreuen nicht nur in Einzelgesprächen. Zum anderen gehen die beiden in Klassen und arbeiten mit größeren Gruppen. "Da werden die krawalligsten Klassen ganz rücksichtsvoll", fasst Kathrin Richter zusammen. Besonders, wenn die 36-Jährige erzählt, welche schrecklichen Dinge Tasha in ihrem Leben schon mitgemacht hat, schwappt die Sympathie sofort über. Die Mischlingshündin unbekannter Rasse kommt nämlich aus dem griechischen Tierschutz. Sie wurde in der Nähe von Athen mit zwei anderen Hunden gefunden und nach Deutschland gebracht. Hier lernte Kathrin Richter das völlig verängstigte Tier kennen und verliebte sich sofort. "Tasha war früher sehr durch ihre schlechten Erfahrungen geprägt", erinnert sich Kathrin Richter. Narben, Verletzungen an der Schnauze vom Zubinden und eine abgequetschte Rute sind stumme Zeugen ihres früheren Leids. "Doch nach und nach wurde sie immer mutiger. Und heute ist sie durchweg entspannt und genießt es, bei den Kindern im Mittelpunkt zu stehen." Die Geschichte, wie Tasha im Laufe der Zeit ihre Ängste überwandt, bewegt die Kinder. Manche identifizieren sich mit ihr und kommen etwas mehr aus sich heraus. Und Tasha? Sie weiß genau, welche Kinder sie brauchen. Schüchtern? Ängstlich? Angespannt? Tasha spürt dies sofort und sucht instinktiv die Nähe der Kinder, die nicht mit sich im Reinen sind. "Ihr Gespür ist erstaunlich", so Kathrin Richter. Aber auch die übrigen Kinder einer Klasse reagieren auf die Hündin. "Gerade die krawalligen werden in Tashas Nähe ganz ruhig und nehmen Rücksicht." Und wenn die Stimmung in einer Klasse mal gar nicht passt und es zu Mobbing kommt? Auch dann wirkt Tasha kleine Wunder. "Wenn zwei Kinder so gar nicht miteinander auskommen, bitte ich beide kurzerhand um Hilfe mit Tasha. Die beiden können für mich eine Runde Gassi gehen. Und über das gemeinsame Interesse »Hund« treten dann manche Disharmonien in den Hintergrund", erläutert Kathrin Richter. Mittlerweile ist Tasha fester Bestandteil des Schulalltags - und wird von Jungen wie Mädchen gleichermaßen geliebt. Nur auf eines muss Kathrin Richter immer ein Auge haben: "Sie ist so verfressen, sie würde den Schülern das Pausenbrot aus der Tasche klauen."

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