Von Alexander Heim
Borgholzhausen. Ob er tatsächlich so willensschwach war, wie er in der ein oder anderen historischen Abhandlung dargestellt wird? Daran hegt Wolfhart Kansteiner, Vorsitzender der Stiftung Burg Ravensberg so seine Zweifel. Gar so schlecht wegkommen lassen wollte er in seinem Vortrag den Kurfürst von Brandenburg, Johann Sigismund (1572-1620), jedenfalls nicht. Sigismund sorgte dafür, dass die Ravensburg zu Preußen kam.
"Er war gerade auf den Weg zu wichtigen Verhandlungen ins Herzogtum Preußen, als sein Vater starb", erläuterte Wolfhart Kansteiner den Zuhörern. Nicht als Prinz, sondern als neuer Kurfürst reiste er also 1608 zu den Gesprächen, die wichtige Weichen stellen sollten.
"Während seiner Regentschaft hat die flächenmäßig größte Erweiterung Brandenburgs stattgefunden", führte Wolfhart Kansteiner aus. Bereits seinem Vater, Joachim Friedrich (1546-1608) war es gelungen, mit Hilfe des polnischen Königs die Regentschaft über den Preußen-Herzog zu erlangen.
Johann Sigismund heiratete später die Tochter des als geisteskrank geltenden preußischen Herzogs Albrecht Friedrich, Anna von Preußen (1594).
Später ehelichte der noch regierende Kurfürst Joachim Friedrich deren Schwester, Eleonore (1583 - 1607). "Die Preußen haben eine ganz ausgeprägte Heiratspolitik betrieben", erläuterte Kansteiner. "Es gab keine Liebesheirat - das ist eine Erfindung der Romantik."
Als Sigismund 1608 ins Herzogtum reiste, stärkte er nicht nur den polnischen König. Es gelang ihm, so Kansteiner, auch, die polnischen Stände zu überzeugen. Der polnische Reichstag fasst danach den Beschluss, Brandenburg mit Preußen zu belehnen. Als Sigismund zurück in Berlin war, kam es zu einem weiteren bedeutsamen Ereignis: der Herzog von Kleve starb. "Jülich-Berg-Kleve war zu jener Zeit nach Habsburg das mächtigste Haus in Deutschland", so Kansteiner.
Johann Sigismund und der Graf von Pfalz-Neuburg entschieden sich, Jülich-Berg-Kleve unter sich aufzuteilen. Das Herzogtum Kleve und die Grafschaft Ravensberg fielen den Brandenburgern zu. Während der Graf zu Pfalz-Neuburg zum Katholizismus konvertierte, wechselte Johann Sigismund zum Calvinismus über. 1614 wurde der Vertrag von Xanten geschlossen. Eine vorläufige Ruhe, ehe der Sturm des 30-jährigen Krieges nur vier Jahre später losbricht.
War Sigismund also willensschwach? Kansteiners Fazit: "Völlig zu Unrecht ist Sigismund in der Versenkung der Geschichte verschwunden." Johann Sigismund sei, so Kan-steiners Auffassung, "in seinem eigenen Land kaputt geschrieben worden." Dabei lehre der Blick auf die Persönlichkeiten der Fürsten in der brandenburg-preußischen Historie zumindest eines: "Es hat unter ihnen nie einen gegeben, der aus Schwäche zerstört hat, was die anderen aufgebaut hatten."
1616 erleidet der Kurfürst einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr recht erholt. 1619 überträgt er die Regierungsgeschäfte seinem Sohn Georg Wilhelm. Am 2. Januar 1620 stirbt Johann Sigismund in Berlin.
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