Von Anja Hanneforth
Werther.
Harrisburg 1979, Tschernobyl 1986, Fukushima 2011: Abertausende Menschen tot, abertausende Menschen erkrankt, die Böden kontaminiert, die Spätfolgen nicht absehbar, ein Endlager nicht in Sicht. "Atomenergie", sagen die Mitglieder des Klimastammtischs aus Werther, "ist ein Fass ohne Boden". Sie fordern den sofortigen Ausstieg und stattdessen den Ausbau regenerativer Energien, auch hier vor Ort. Gestern, zum vierten Jahrestag der Atomkatastrophe von Fukushima, trafen sie sich mit weiteren engagierten Bürgern zur Mahnwache in Werther.Es waren nicht viele, die am Demonstrationszug vom Café Bossert zum Alten Markt teilnahmen. Vielleicht lag es an der frühen Stunde, "doch abends hätten wir nicht gekonnt, wollten aber unbedingt etwas machen", sagt Hanns Lindemann.
Ihre Argumente waren dafür umso schlagkräftiger: Auch vier Jahre nach Fukushima hätten die Japaner die Sache nicht im Griff, sagen sie. Derzeit würde dort versucht, den kontaminierten Boden in Säcke zu verpacken; Millionen Liter verseuchtes Kühlwasser wären bereits ins Meer geflossen, die Behörden hätten Grenzwerte nach oben korrigiert, bei Untersuchungen würden offenbar die Ergebnisse schöngeredet oder gar nicht erst mitgeteilt.
Verhältnisse, die den Mitgliedern des Klimastammtischs und den übrigen Demonstranten Angst machen. Was in Japan passiert ist, so ihre Befürchtung, könnte auch bei uns passieren. Vielleicht nicht ausgelöst durch ein Erdbeben; aber Unfälle ließen sich eben nicht zu 100 Prozent verhindern.
Dass es ohnehin nicht ein Unfall sein muss, um schlimme Folgen auszulösen, weiß Cordula Topp. Sie erzählt, dass sie wenige Kilometer entfernt vom ehemaligen Kernkraftwerk Würgassen aufgewachsen sei. Sowohl eine Cousine als auch eine Jugendfreundin wären an Leukämie erkrankt. "Ich bin mir sicher, dass es da einen Zusammenhang gibt." Weil es so ein Trauerspiel sei, wie die Technik von vielen verharmlost werde, hatte sie einen ganzen Korb Taschentücher mitgebracht, um sie an Passanten zu verteilen. Die Aussage von Cordula Topp ist klar: "Ich will nie wieder neben einem AKW wohnen, hätte aber kein Problem, neben einem Windrad zu wohnen."
Genau hier hakten die Aktiven des Klimastammtischs ein: Sie können nicht verstehen, dass es in Werther immer noch so viel Skepsis gegen das inzwischen beschlossene Klimaschutzkonzept gibt. "Nur zu sagen, dass Windräder hässlich aussehen, reicht nicht", findet Werner Glenewinkel. Natürlich müssten Bedenken hinsichtlich Lärm oder Schattenwurf ernst genommen werden. Aber gerade in Anbetracht von Fukushima brauche Werther mindestens ein, wenn nicht zwei Windräder, um die Energiewende auch hier vor Ort zu schaffen.
Bei allen Diskussionen ärgert Heiner Beaugrand vor allem eines: "Da hat es in Fukushima gewaltig gerumst, und kaum vier Jahre später haben die meisten das völlig vergessen." In 1000 Jahren werde sich niemand mehr an RWE oder e.on erinnern. Aber die Folgen des Atomunfalls würden immer noch spürbar sein. Beaugrand: "Wir dürfen nicht so tun, als ob nichts gewesen wäre. Das wäre das Schlimmste."