Von Silke Derkum
Versmold. Klaus Blenk ist ganz offen. "Natürlich sind 100 Anmeldungen für die Sekundarschule nicht so viel, wie wir gehofft hatten", sagt der Schulleiter der seit eineinhalb Jahren in Versmold erprobten neuen Schulform. Zwei Gründe nennt er, die Einfluss auf die Zahl der Neuanmeldungen gehabt haben könnten. Zum einen sei das Konzept der Sekundarschule bei vielen Eltern noch nicht angekommen - daran kann man arbeiten. Keinen Einfluss hat die Schulleitung jedoch darauf, was in der Nachbarstadt geschieht. Am Gesamtschulstandort in Borgholzhausen werden im neuen Schuljahr 60 der etwa 90 Plätze von Versmolder Kindern belegt. "Es ist das erste Mal, dass in Borgholzhausen kein Kind aus Versmold abgelehnt wurde", berichtet Blenk.
Eine Tatsache, die man beim CJD in Versmold, dem Schulträger der Sekundarschule, "erstaunlich" findet. Und in der Tat: Während 60 Versmolder Kinder ihren Wunschplatz am Standort Borgholzhausen der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule (PAB) bekommen haben, müssen 26 Piumer Kinder in den sauren Apfel beißen und zukünftig nicht in der eigenen Stadt zur Schule gehen, sondern am zweiten Standort der Böckstiegel-Schule, nämlich in Werther.
"Die PAB ist eine Kreisschule und in der Vergangenheit sollen die Schüler aus den anderen Orten immer ausgelost worden sein", berichtet Blenk. Zumindest habe es in jedem Jahr an der auslaufenden CJD-Realschule, deren Leiter Klaus Blenk ebenfalls ist, eine große Anzahl von Versmolder Schülern gegeben, die an der PAB abgelehnt worden seien.
"Wir sind eine neue Schulform für alle"
An Spekulationen darüber, warum dies nun anders zu sein scheint, möchte Blenk sich nicht beteiligen. Allerdings beruft sich der Kreis - als Schulträger der PAB - auf das Landesschulgesetz. Das besagt, dass auswärtige Kinder abgelehnt werden sollen, wenn in ihrer Kommune eine vergleichbare Schulform besteht. Und damit sind sowohl Bielefelder als neuerdings auch Haller Kinder an der PAB außen vor. Denn beide Städte haben selbst eine Gesamtschule.
Eine Sekundarschule gibt es im Altkreis aber nur in Versmold."Es wäre eine Illusion zu glauben, wenn wir hier eine Sekundarschule anbieten, geht kein Kind mehr zur Gesamtschule", sagt Blenk. Natürlich gebe es immer Eltern, die solch einer Neueinführung zunächst skeptisch gegenüberstehen. Außerdem kursierten immer noch Vorurteile in den Köpfen. "Manche denken, die Sekundarschule sei einfach aus Real- und Hauptschule zusammengewürfelt, das ist aber nicht so; wir sind eine neue Schulform für alle", so Blenk, der aus den Rückmeldungen der Grundschulen weiß, dass der überwiegende Teil der zukünftigen PAB-Schüler aus Versmold eine Realschulempfehlung hat. Dabei hat die Sekundarschule gerade den lernstärkeren Kindern etwas zu bieten.
"Von denen, deren Kinder bereits die Schule besuchen, oder die sich beim Tag der offenen Tür informieren, bekommen wir nur positive Rückmeldungen", sagt der Schulleiter. Und daher sei die Schule gefordert, die positiven Aspekte und Erfahrungen, die man in den ersten eineinhalb Jahren gesammelt habe, besser zu den Eltern zu transportieren. Dies sei eine der Hausaufgaben, die Schulleitung und Träger zu erledigen haben.
"Wir sind halt eine Schule im Aufbau und können nicht wie andere Schulformen unsere Erfolge mit Zahlen belegen", sagt Klaus Blenk. Vieles entwickle sich noch. Sobald man zum Beispiel bemerke, dass das theoretische Konzept in der Praxis hake, werde sofort nachgebessert. Doch manche Erfolge kann auch die Sekundarschule schon mit Fakten belegen. "Gerade haben die Fünftklässler ihre ersten Zeugnisse bekommen", sagt Blenk, "und bei den Kindern, die mit Hauptschulempfehlung zu uns gekommen sind, waren die Noten fast durchweg besser als Hauptschulniveau."
Klaus Blenk glaubt fest an das System der Sekundarschule. Es gebe in anderen Ländern viele Vorbilder für das längere gemeinsame Lernen. "Und das sind die", so Blenk, "die bei den PISA-Tests immer ganz weit vorne liegen."
Lernbüros
Schule ohne Hausaufgaben, ist für viele Eltern schwer vorstellbar. Aber die Lernbüros, in denen die Schüler jeden Tag mit einer Stunde selbstständiger Arbeit beginnen, zeigten, dass es funktioniert, so Blenk. Gerade Schüler, die Schwierigkeiten hätten sich selbst zu organisieren, können dort ihre Aufgaben strukturiert erledigen.
Sanfter Einstieg
Schulbeginn ist zwischen 7.45 und 8 Uhr. "Dass die meisten Schüler schon um 7.45 Uhr da sind und selbstständig mit dem Arbeiten im Lernbüro beginnen, spricht ja für sich", sagt Klaus Blenk.
Sozialarbeit und Ganztag
"Durch den verpflichtenden Ganztag an drei Wochentagen und die Schulsozialarbeit bekommen die Kinder viele Angebote, die eine klassische Schule nie bieten könnte", sagt Blenk.
Gemeinsam differenziert
In den Klassen 5 und 6 bekommen alle Kinder den selben Unterrichtsstoff. Ab Klasse 7 wird in den Fächern Mathe und Englisch differenziert, ab Klasse 8 auch in Deutsch. Allerdings bleibt der Klassenverband immer bestehen; Differenziert wird durch Gruppenarbeit und unterschiedlich schwere Klassenarbeiten.
Lernentwicklungsgespräch
Einmal wöchentlich steht das LEG auf dem Stundenplan. Dabei reflektieren die Kinder im Gespräch mit dem Lehrer ihre persönliche Woche und ihre Lernfortschritte. Grundlage ist ein Heft, in dem sämtliche Hausaufgaben, Lerninhalte und die persönlichen Ziele von den Kindern festgehalten werden und das auch als Information für die Eltern gilt.
Kooperatives Lernen
"Das ist der Grundsatz, der über allem steht", so Blenk. Die Schüler helfen sich gegenseitig. In den Lernbüros, aber auch im Unterricht. Das fördere starke und schwache Schüler gleichermaßen.
Kleine Klassen
Maximal 25 Kinder gehen in eine Klasse. Bislang sind es sogar nur zwischen 21 und 24.
Soziales Lernen
SL - noch ein ungewohntes Unterrichtsfach. Dort werden nicht nur Konflikte der Schüler in der Gruppe gelöst, es wird auch darüber gesprochen, wie man sich in die Schulgemeinschaft einbringen kann. Ehrenämter wie Pausenhelfer, Bibliothekshelfer oder Streitschlichter sollen das Verantwortungsgefühl stärken.
Mehr als nur Lernstoff
"Wir sind ein Ort des Lebens, nicht nur des Lernens", sagt Blenk. Bildung sei wichtig, aber ebenso, "ein toller Typ zu werden - auch wenn man nicht gut in Mathe ist."
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