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Ein Kampf, der Früchte tragen könnte

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Von Silke Derkum Versmold/Berlin. Noch ist das Ziel nicht erreicht. Aber zum ersten Mal seit Monaten lächelt Roman Bulatow ganz leicht zwischen den Sätzen, wenn er über seine Situation spricht. Vor einer Woche hat der Bundesrat in Berlin über ein Gesetz entschieden (siehe Kasten), das in Teilen auch mit dem 21-jährigen Versmolder zu tun hat. Dass der junge Mann, der als abgelehnter, aber geduldeter Asylbewerber trotz Einser-Abitur nicht studieren darf, mit seiner Geschichte eine derartige Lawine lostritt, ist für ihn immer noch unbegreiflich. Nun hofft er, dass auch der Bundestag dem Gesetzentwurf zustimmt. Dann hätte sich Bulatows Einsatz nicht nur für ihn und tausende junger Menschen in seiner Situation gelohnt - sondern auch für seine Schwester. "Es ist wirklich ermutigend und ich hätte nicht gedacht, dass es in einer Demokratie so schnell geht mit der Umsetzung von Gesetzen", sagt Roman Bulatow. Er hat Hoffnung geschöpft, dass er sein angestrebtes Studium der Angewandten Mathematik doch noch aufnehmen kann. Im vergangenen Sommer hatte er sich - wie mehrfach berichtet - trotz Zulassungsbescheid nicht an der Fachhochschule Bielefeld einschreiben können, da er kein gültiges Ausweisdokument besitzt und der Kreis Gütersloh ihm dies auch nicht ausstellen will. Begründung: Er wirke nicht genügend an der Klärung seiner Identität mit. Die wird nämlich angezweifelt, da Bulatows Eltern vor elf Jahren ohne Papiere in Deutschland Asyl beantragt haben. Dass sie, wie sie angaben, aus Usbekistan stammten, ließ sich nicht nachweisen. Und so zweifelt der Kreis die Herkunft der Familie an. Vor allem Versmolds ehemaliger Bürgermeister und jetziger NRW-Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute hat sich für Bulatow und all die anderen jungen Leute in derselben Situation auf politischem Wege stark gemacht und eine Gesetzesinitiative angestoßen, nachdem er vom Haller Kreisblatt über den Fall informiert worden war. Roman Bulatow selbst ahnte lange nichts davon, dass sich hinter den Kulissen aufgrund seiner Geschichte so viel bewegte. Er gibt Schülern Nachhilfe in Mathematik und absolvierte inzwischen ein Praktikum bei der Stadtverwaltung in Harsewinkel, die offensichtlich kein Problem mit seiner "ungeklärten Identität" hat. "Ich war dort fünf Wochen bei der Energieberatung und fand es sehr interessant", berichtet er. Da er weder studieren noch arbeiten darf, bieten sich dem 21-Jährigen nicht viele Beschäftigungsmöglichkeiten. Deshalb würde er gerne noch weitere Praktika machen. "Ich bin da auf gar keinen Bereich festgelegt, alles ist besser, als zu Hause herumzusitzen", sagt er. Ein Schicksal, das vielleicht auch seiner Schwester Fatima blüht - wenn sich die Gesetzeslage nicht ändert. Die 15-Jährige besucht die zehnte Klasse der CJD-Realschule und ist mit einem Zeugnisdurchschnitt von 1,2 nicht nur Klassen-, sondern auch Jahrgangsbeste. Bis zur neunten Klasse hielt sich Fatima für eine Schülerin wie alle anderen. Doch als sie gemeinsam mit ihrem Französischkurs - sie steht auf Eins in Französisch - auf Klassenfahrt nach Paris wollte, durfte sie nicht. Sie hatte keinen Pass und der Kreis wollte ihr die notwendigen Ersatzdokumente nicht ausstellen. "Wir haben dagegen beim Verwaltungsgericht in Minden geklagt und in einem Eilverfahren verloren", berichtet ihr Bruder. Das Gleiche wiederholte sich, als es auf Klassenreise nach Holland gehen sollte. "Seitdem der Fall meines Bruders so in der Öffentlichkeit steht, werde ich natürlich oft auf meinen Status angesprochen", sagt sie. Unangenehm werde es, wenn die Leute mitleidig reagierten. "Das möchten wir auf keinen Fall", ergänzt ihr Bruder. Er weiß aber auch, dass das Medieninteresse wichtig ist. Nach den HK-Berichten meldeten sich TV-Sender und überregionale Printmedien bei ihm. "Augen zu und durch" lautet sein Motto bezüglich der medialen Aufmerksamkeit, denn eigentlich ist der 21-Jährige ein zurückhaltender Mensch. Deshalb berichtet er auch nur zögerlich von seiner zweiten Hoffnung. Seit September liegt sein Fall bei der Härtefallkommission des Innenministeriums, die über Einzelfälle entscheiden kann. Bislang hat er von dort noch nichts gehört. Aber vielleicht entscheidet die große Politik ja bald zu seinen Gunsten. INFO Bundesrat verabschiedet Gesetzespaket Es ist ein ganzes Paket an Gesetzesneuerungen und Verordnungen, das die Bundesregierung auf den Weg bringen möchte. Unter der Überschrift »Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung« finden sich auf 87 Seiten geänderte Gesetzesparagrafen, die das Ausländerrecht betreffen. Unter Artikel 5, §§ 33 geht es um das Beschäftigungsverbot, das in Fällen wie dem Roman Bulatows greift. Dort heißt es, dass Geduldeten der Zugang zum Arbeitsmarkt zu versagen ist, wenn sie zum Beispiel nicht bei der Beschaffung eines Passes oder der Klärung ihrer Identität mitwirken.
Auf Initiative des Landes NRW – unter anderem motiviert durch die Berichterstattung über Bulatow – soll dieser Passus ergänzt werden, um die Einschränkung, dass jugendliche oder heranwachsende geduldete Ausländer – also die zweite Generation – davon ausgenommen sind.
Dieser Zusatz war eine von 34 Ergänzungen, die die Bundesländer dem gesamten Gesetzentwurf hinzugefügt haben. All diese Ergänzungen wurden am vergangenen Freitag im Bundesrat diskutiert und verabschiedet. Im nächsten Schritt wird nun über den ergänzten Gesetzentwurf im Bundestag abgestimmt. (sim)

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