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Steinhäger an der Copacabana

Von Jonas Damme Steinhagen/Brasilien. Steinhäger ist ein Altherrenabsacker. Das stimmt, wenn überhaupt, nur hierzulande. Tatsächlich wird der Steinhagener Wacholder auch in anderen Erdteilen getrunken, zum Beispiel als Steinhäger-Caipirinha in Brasilien. Mittlerweile überflügelt der Export sogar schon den Absatz in Deutschland. Mehr als zehn Millionen Brasilianer haben deutsche Vorfahren, berühmtestes Beispiel ist Supermodel Giselle Bündchen. Bereits seit dem 19. Jahrhundert ist Südamerika hierzulande ein beliebtes Auswanderungsziel. Gerade im Süden Brasiliens haben sich manche Traditionen gehalten. Viele deutsche Bräuche und Spezialitäten werden dort hochgehalten, um die eigene Herkunft und Identität nicht zu vergessen. Das hat unter anderem dazu geführt, dass für viele typisch deutsche Traditionsprodukte Südamerika ein wichtiger Markt geworden ist - zum Beispiel für den Steinhäger. "Unser Steinhäger ist dort schon seit vielen Jahren bekannt", erklärt Ute Wilson aus der Exportabteilung der »Schwarze und Schlichte«-Brennerei. Mittlerweile sei es sogar so, dass die Brennerei in Brasilien doppelt so viel Steinhäger absetze wie in Deutschland. Das sehe sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge: "In Deutschland sind die Zahlen rückläufig", da sei ein Überseemarkt hilfreich. Auch andere typisch deutsche Produkte laufen nach Angaben von Wilson sehr gut: "»Imported from Germany« ist einfach ein Verkaufsargument." »Steinhäger-Caipirinha« ist eine Cocktailvariante, die in vielen deutschen Restaurants, zum Beispiel in den brasilianischen Großstädten Rio de Janeiro oder São Paulo, serviert wird. "Steinhäger wird dort landestypisch viel zum Mixen verwendet", sagt Wilson. "Zum Beispiel für Caipirinha, aber eigentlich ist er besser für Gin-Longdrinks geeignet. Als Kurzer wird Steinhäger natürlich auch getrunken." Das »typisch deutsche« Menü beinhaltet dort neben dem Wacholder-Cocktail auch Kassler, Schnitzel oder Eisbein. Sogar eine vorgeblich deutsche Fastfoodkette hat sich mittlerweile in Brasilien etabliert: In den »Braugarten«-Filialen gibt es Salat à la Claudia Schiffer oder auch ein Beckenbauer-Sandwich. Trotzdem scheint es, dass den deutschen Spezialitäten so nah am Äquator oft das typisch deutsche verloren geht. So wie der klare, bittere Verdauungsschnaps zum süßen Cocktail wird, bleibt von den traditionellen Speisen oft nicht viel mehr, als deutsche Klischees im Namen. Könnte dem Steinhagener eigentlich egal sein, solange der Export stimmt!? Ja und nein. Nach EU-Recht darf ein Wacholderschnaps sich nur dann Steinhäger nennen, wenn er aus Steinhagen in Westfalen kommt. "Mittlerweile ist der Steinhäger aber schon fast ein typisch brasilianisches Getränk. Er wird sogar schon in Brasilien hergestellt", weiß Ute Wilson von »Schwarze und Schlichte«. Und das sogar rechtens. Da Brennereien dort schon länger Steinhäger produzieren, als der Name geschützt ist, dürfen sie damit fortfahren. Seit 1962 wird zum Beispiel ein Steinhäger von der Brennerei »Doble W« produziert. Nach Angaben des Herstellers hält man sich dabei an das deutsche Rezept mit originaler Dosierung von Getreide, Wacholderbeeren, Wurzeln, Samen und Rinde. Allerdings wird echt deutscher Steinhäger, so wie der von »Schwarze und Schlichte«, dort als Premiummarke vertrieben und bewahrt sich so seinen guten Umsatz und das ebenfalls seit mehr als 50 Jahren. Rund 20 Prozent ihres Gesamtumsatzes bestreitet die Brennerei mittlerweile mit dem Export. Neben den Hauptexportmärkten EU und USA spielen dabei nach Unternehmensangaben auch vermeintliche Exoten wie Brasilien, Israel und Südafrika mittlerweile eine wichtige Rolle. In Zukunft will die Brennerei auch die Wachstumsmärkte in China und Russland stärker abdecken.

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