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Die Eisenzeit ist noch nicht vorbei

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Von Silke Derkum

Versmold-Oesterweg. Zu lesen, wie Menschen vor 1000 oder 2000 Jahren gelebt und gearbeitet haben, ist eine Sache. Es selbst einmal auszuprobieren, ist eine ganz andere. Michael Tuxhorn interessiert sich für Geschichte. Ganz speziell für die Jahrhunderte um Christi Geburt. Und er ist gerne produktiv, mag es, mit den Händen etwas herzustellen. Beide Eigenschaften zusammen führten nun zu einem ganz besonderen Experiment. Im Garten seines Hauses in Oesterweg hat Michael Tuxhorn einen Ofen gebaut, wie er in der Eisenzeit genutzt wurde, um Stahl für Werkzeuge und Waffen herzustellen.

Vor zwölf Jahren ist Michael Tuxhorn mit seiner Familie aufs Land gezogen. "Irgendwann zeigte mir mein Vermieter einen kleinen Haufen Eisenstein, der hinten im Wald lag", erzählt der 44-Jährige. Das erzhaltige Baumaterial, das sich in tieferen Schichten des hiesigen Ackerbodens findet, sei früher in den Gefachen der Fachwerkhäuser verbaut worden, sagt er. "Allerdings soll das bei Strafe verboten gewesen sein, da die Nutzungshoheit über den Raseneisenstein in unserer Gegend bei den Stahlwerken Georgsmarienhütte liegen soll", sagt Michael Tuxhorn, fügt aber gleich hinzu, dass er keine Belege dafür gefunden habe.

"Auf jeden Fall habe ich gedacht, dass es doch nicht sein kann, dass Eisenerz hier einfach so ungenutzt herumliegt", schildert er den Ausgangspunkt seines eisenzeitlichen Versuchs. Im Freilichtmuseum Oerlinghausen lernte der technische Zeichner dann in einem Workshop, wie man die Rennöfen zur Gewinnung von Eisen selbst baut.

Diese Rennöfen, sagt Tuxhorn, seien in Mitteleuropa von etwa 1000 vor Christus bis in die frühe Neuzeit zur Eisengewinnung verwendet worden. Das Prinzip habe sich dabei kaum verändert. In Oesterweg begann die Reise in die Eisenzeit in der vergangenen Woche. Aus Lehm wurde der Ofen hauptsächlich gebaut. "Ich habe aber auch Ziegelsteine beim Bau verwendet, um Lehm zu sparen", erklärt Michael Tuxhorn. Die hat er dann um ein Loch im Boden herum zu einem etwa 80 Zentimeter hohen Kamin verbaut, in dessen unteren Teil drei dicke Äste den Platz für die benötigten Luftlöcher freihielten. Aus einem größeren Loch in Bodenhöhe sollte dann die Schlacke, das nichtmetallhaltige Nebenprodukt, abfließen.

"Die Schmelztemperatur von Eisen liegt normalerweise bei 1500 Grad. Da ich aber Kohle zum Heizen verwende, werden wir hier wahrscheinlich nur 1200 Grad erreichen", prognostiziert der Oesterweger. Aber auch das ist eine stolze Temperatur. Einige Tage später ist es dann so weit. Morgens um halb elf wird der Ofen angeheizt und eineinhalb Stunden später die ersten 500 Gramm Eisenerz hinzugefügt. Bis zum Abend werden abwechselnd Eisenstein und Kohle in dem Schlot geschichtet. "Abends gegen 21 Uhr stand der Ofen komplett unter Feuer", sagt Michael Tuxhorn beinahe ein wenig schwärmerisch.

16 Stunden später sind Glut und Hitze so weit erloschen beziehungsweise gesunken, dass der Ofen geöffnet werden kann. "Die Außenwand des Ofens war teilweise keramisch, was auf gute Temperaturen über 1000 Grad hindeutet", sagt der Fachmann. Das eigentliche Erfolgsgefühl stellte sich jedoch beim Blick in die Bodenkuhle des Ofens ein. Dort lag - aus Laiensicht - ein schwarzer Brocken, das Expertenauge erkannte jedoch ein sogenanntes Luppenstück, einen schwammartigen Eisenbrocken, durchsetzt von Schlackeresten. "Aber er war tatsächlich schwach magnetisch; und vom Boden des Ofens ließen sich Eisenspäne mit einem Magneten auflesen", sagt Michael Tuxhorn und ist hochzufrieden mit seinem ersten Eisenexperiment.

Und das ist noch nicht beendet. Denn seinen eigenen Eisenklumpen will der Hobbyhistoriker im September mit nach Telgte nehmen. "Dort mache ich dann einen Schmiedekurs", sagt er, "vielleicht lässt sich aus der Luppe ja noch etwas machen."


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