Versmold (mari).
Ein Buch über medizinische Zusammenhänge klingt nach schwerer Kost. Das, was Autorin Giulia Enders ihrem Publikum zu berichten hat, allerdings ist leicht verdaulich. Wobei wir direkt beim Thema wären: dem Darm. Dessen Funktion ist nicht unbedingt das, worüber man in geselliger Runde offen und locker plaudert. Anders Giulia Enders. Die Medizinstudentin ist eine echte Frohnatur und entsprechend erfrischend ermutigend ist der Abend mit ihr und ihrem Buch »Darm mit Charme« in der voll besetzten Versmolder Hauptschulaula. 360 begeisterte Gäste klärt sie über ihr Lieblingsorgan auf, was bei vielen Besuchern zu manchem Aha-Erlebnis geführt hat.Im Rahmen des Lesefrühlings hatten Buchhändlerin Gesine Klack und Bibliotheksleiterin Christa Brüning zu der Lesung eingeladen. Mit 17 Jahren erkrankte die Autorin selbst an Neurodermitis und hat seither sehr viel über den menschlichen Körper erfahren. In einigen Selbstversuchen - die sie nach eigenem Bekunden mit ihrem heutigen medizinischen Wissen nicht mehr machen würde - habe sie ihren Körper mehr und mehr kennengelernt. Über diese Erfahrung sei sie schließlich zum Medizinstudium gekommen.
Ganz unverblümt spricht die junge Frau vor großem Publikum über das Thema, das von vielen gerne tabuisiert wird. Als ein Mitbewohner sie einmal fragte »Giulia, du studierst doch Medizin - wie geht kacken?«, sei sie in ihr Zimmer gegangen und habe Bücher gewälzt. Die von ihr gefundenen Antworten hätten ihre Faszination für den Darm vollends entfacht.
Während das Herz und das Hirn ein hohes Ansehen genießen, habe der Darm keine gute Stellung in der Gesellschaft. Mit einfachen Worten schlug Enders eine Bresche für das unterschätzte Organ, denn eigentlich sei der "Klogang eine Meisterleistung", wie sie sagt.
Überaus witzig erläutert sie, wie innerer und äußerer Schließmuskel gewissenhaft zusammenarbeiten, um den produzierten Müll zu entsorgen. Wunderbare bildliche Darstellungen machen die Ausführungen dabei auch visuell deutlich.
"Schön ist, wenn man komplexe Zusammenhänge erkennen und sich damit Verbindungen besser vorstellen kann", meint die Autorin in Bezug auf ihr Lieblingsthema - die Bakterien im Darm. Wichtig sei, ein Gleichgewicht zu schaffen zwischen guten und schlechten Bakterien. Die Ernährung spiele dabei eine große Rolle. Es gehe darum, seinen Körper zu verstehen. Auch "Sauberkeit auf dem faszinierenden Zellrasen" lasse sich schwer halten, wenn dem Darm keine Zeit gelassen werde, weil man zwischendurch immer wieder etwas esse.
Auch bei den Fragen der Zuschauer zum Genuss von Süßigkeiten, der Benutzung von Feuchttoilettenpapier, Sinn von Probiotika oder beschleunigter Darmtätigkeit beim Laufen brilliert Enders mit Fachwissen und verpackt die Informationen für alle gut verständlich.
Ob Probleme beim Toilettengang nach dem Genuss von Rotwein - bei Weißwein sei es anders - auch altersbedingt sein könnten, beantwortet die Autorin zunächst rein wissenschaftlich und meint dann: "Wenn Sie diese Beobachtung machen, würde ich mich beobachtungskonform verhalten und Weißwein bevorzugen."
Während eine Besucherin in der Pause noch nicht vom Vortrag überzeugt scheint, weil sie nichts Neues erfahren habe, hält Inge Guntenhöner gleich zwei Bücher in Händen. "Eins ist für meine Freundin und eins habe ich für mich gekauft. Giulia Enders hat eine unglaublich unkomplizierte und fröhliche Art, die Dinge zu beschreiben", sagt sie begeistert. "Ihr Wissen ist enorm, ich bin wirklich beeindruckt - auch von der lockeren und sehr guten Vortragsweise", kommentiert Dieter Kollien. "Endlich wurde einem größeren Publikum deutlich gemacht, wie wichtig der Darm ist - auch im Hinblick auf Erkrankungen wie Neurodermitis oder Diabetes", sagt Dr. Wolfgang Beuse zufrieden.
Giulia Enders indes sitzt noch einige Zeit im Foyer der Aula, um die Bücher ihrer geduldig wartenden Fans zu signieren. Fröhlich und charmant wie sie ist.