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Golf spielender Schockrocker heizt ein

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Vincent Damon Furnier ist im bürgerlichen Leben ein braver Familienvater, der nach eigener Aussage sechs mal die Woche auf den Golfplatz und sonntags in die Kirche geht. Kaum angekommen im Sportpark-Hotel in Halle/Westfalen erkundigte sich Furnier dann auch nach den örtlichen Möglichkeiten für eine Partie seines Lieblingssports. Dieses Bild will so gar nicht zu der Rolle passen, in die Furnier regelmäßig schlüpft: Denn als Alice Cooper ist er der Inbegriff des Schockrockers, der für skurrille Inszenierungen mit literweise Blut bekannt ist. Doch gerade dieser scheinbar unüberbrückbare Gegensatz zwischen Privatmann und Kunstfigur macht Cooper zum perfekten Headliner für »Rock meets Classic«. Ein Projekt, bei dem nicht nur musikalisch zusammen kommt, was eigentlich nicht zusammen gehört. Vom Jeanskuttenträger bis zur Dame im kleinen Schwarzen hatte sich ein kunterbunt gemischtes Auditorium im Gerry Weber Stadion eingefunden, um mit den vom Prager Symphonieorchester begleiteten Heroen der Rockgeschichte zu feiern. Die Gästeliste der Party konnte sich wahrlich sehen lassen: Neben Alice Cooper gehörten Ultravox-Frontmann Midge Ure, Rainbow-Sänger Joe Lynn Turner, Bernie Shaw und Mick Box von Uriah Heep sowie die unverwüstliche 80er-Ikone Kim Wilde zum prominent besetzten Line-Up. Zwar waren dem ein oder anderen Veteranen die Spuren eines erfüllten Rockerlebens durchaus anzusehen - das Outfit spannte hier und da etwas, und die Augenringe waren nicht alle nur aufgemalt - doch der Kraft ihrer Stimmen tat dies keinen Abbruch. Midge Ure, wie immer im feinen Zwirn, eröffnete die mitreißende Show. Spätestens bei seinem Megahit »Dancing with Tears in my Eyes« stand der Saal. Im Vergleich zu den übrigen Kollegen kam Joe Lynn Turner dagegen etwas gelangweilt daher. Doch, was ihm an Mimik im seltsam glatt gebügelten Gesicht abging, machte der 62-jährige durch sein immer noch bestens geöltes Kehlchen wett. Kim Wilde hingegen war die Freude am Klassentreffen der Altstars deutlich ins Gesicht geschrieben. Besonders bei »Cambodia« kam die musikalische Untermalung vom durch Bernhard Wünsch dirigierten Orchester bestens zur Geltung. Als Wilde nach ihrem Abschlusssong »Kids in America« von einem Verehrer im Publikum einen Blumenstrauß zugeworfen bekam, strahlte sie endgültig über das ganze Gesicht. Nachdem die Rampensäue von Uriah Heep mit ihrer »Lady In Black« den Saal endgültig aufgewärmt hatten, folgte das krönende Finale. Alice Cooper betrat im rot-schwarz gestreiften Frack die in Feuerfontänen eingehüllte Bühne. Die Augen gewohnt schwarz geschminkt intonierte der 66-Jährige sein »House of Fire«. Begleitet wurde er von der 29-jährigen Gitarristin Orianthi. Die Australierin, die bereits mit 18 Jahren von Carlos Santana entdeckt wurde, beeindruckte mit einer Bühnenpräsenz, der sich auch der seit 38 Jahren glücklich verheiratete Cooper nicht entziehen konnte: »Your Poison Running through my Veins« schmetterte der mit der Reitgerte bewaffnete Fürst der Finsternis unter opulenter orchestraler Begleitung bei seinem größten Hit in Richtung der charismatischen Gitarristin. Manch einer wird dies sicher alles wieder tragikomisch finden - das begeisterte Haller Publikum gehörte allerdings nicht dazu.

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